Die H&B Real Estate AG wurde zur Siegerin des SVIT Award 2022 gekürt. Im Gespräch erläutern Simon Weiss und Patrick Schneebeli das Erfolgsrezept von H&B Real Estate. Mit dabei ist auch Christoph Finale, Huperty AG, der die Entwicklungspartnerschaft aus Proptech-Sicht kommentiert.
Interview von IMMOBILIA/November 2022/S.58/59
TEXT -CHRISTIAN BRÜTSCH, JOÈLLE ZIMMERLI*
Herr Schneebeli, herzliche Gratulation zum SVIT Award 2022. Die H&B Real Estate AG hat das Publikum überzeugt, dass sich Investitionen ins «Sorgenkind» Stockwerkeigentum lohnen. Sie haben in Zusammenarbeit mit Huperty verschiedene Prozesse digitalisiert und dabei viel Immobilienwissen in eine Proptech-Lösung eingebracht. Wie zahlt sich das im Tagesgeschäft aus
Schneebeli: Wir konnten die Versammlungssaison für uns, unsere Mitarbeiter und unsere Anspruchsgruppen effizienter gestalten. Wir verfügen heute über ein Tool, mit dem wir Themen und Traktanden laufend sammeln und Versammlungen von langer Hand vorbereiten können, und zwar so, dass alle im Team immer den gleichen Wissensstand haben. Damit das funktioniert, haben wir Prozesse vereinheitlicht. Auch die Organisation und Durchführung der Versammlungen ist einfacher geworden. Wir brauchen deutlich weniger Personal für Einlasskontrollen. Wichtig ist auch, dass wir schneller und mehr Rechtssicherheit erhalten, bei Abstimmungen, Beschlüssen und Protokollen. Schliesslich hat uns die erste «normale» Versammlungssaison nach Corona gezeigt, dass wir Kapazitäten für zusätzliche Mandate haben.
Herr Weiss: Es gibt viele Proptechs am Markt, es wird viel versprochen. Vielen Bewirtschaftern fällt es schwer, sich für eine Lösung zu entscheiden. Was hat die H&B Real Estate dazu bewogen, mit Huperty eine EntwIcklungspartnerschaft einzugehen?
Weiss: Wichtig war, dass es auf der persönlichen Ebene passte. Wir haben uns nach einer Reihe von Gesprächen nicht nur für das Produkt, sondern auch für das Gründerteam und seine Vision entschieden. Sie haben uns überzeugt, dass sie unsere fachlichen Anliegen ernst nehmen, und dass wir gemeinsam Lösungen entwickeln können, die unsere Arbeit erleichtern. Huperty ist mit der richtigen Haltung auf uns zugekommen. Die Partnerschaft war für uns eine Chance, ein Produkt mitzugestalten, ob wohl wir nicht über die Entwicklungsbudgets der ganz grossen Mitbewerber verfügten. Statt Kapital haben wir viel Zeit und Know-how investiert. Wir sind stolz, was wir damit erreicht haben. Auch der SVIT Award ist wichtig: Er zeigt, dass wir Digitalisierung können - und dass wir mit der Digitalisierung etwas bewegen können.
Herr Finale, wie verlief die Zusammenarbeit aus Ihrer Sicht?
Finale: H&B Real Estate gehörten zu den ersten, die an unsere Vision glaubten und mit uns eine Branchenlösung entwickeln wollten. Vor allem grössere Firmen wollten uns entweder direkt übernehmen oder auf sehr spezifische Probleme ansetzen. Das war nicht unser Ziel. Wir wollen Partner, mit denen wir auf Augenhöhe zusammenarbeiten und eine massentaugliche Lösung entwickeln können. Als Proptech bringen wir viel technisches Wissen mit, aber damit wir etwas bewegen können, müssen wir die mit viel Insiderwissen angereicherten Prozesse in der Immobilienbewirtschaftung richtig verstehen. Das H&B-Team hat sich viel Zeit genommen, diese Prozesse zu erklären und unsere Analysen mit uns zu diskutieren.
Weiss: Die konzeptionelle Zusammenarbeit war wirklich hervorragend. Wir haben Anforderungskataloge für Prozesse geschrieben, das Huperty-Team hat unsere Abläufe analysiert und aufgezeigt, was wir dank digitalen Routinen optimieren könnten. Wir haben geprüft, was von der Abwicklung her Sinn macht und rechtlich Bestand hat, dann wurde umgesetzt. Dieser intensive und konstruktive Austausch wäre unmöglich gewesen, wenn unser Team nicht bereit gewesen wäre, sich Zeit zu nehmen, mitzudenken und Lösungsansätze zu testen. Das ist nicht selbstverständlich und ein wichtiger Schlüssel zu unserem Erfolg.
Die Motivation, mitzumachen und etwas zu bewegen, ist das eine, wichtig ist aber auch, wo man anfängt. Wie haben Sie das gelöst?
Schneebeli: Wir haben gewusst, dass wir priorisieren müssen. Wer zu viel will und auf einen Schlag alle Probleme lösen will, ist zum Scheitern verurteilt. Wir haben spezifische Aufgaben definiert und schrittweise gelöst. Dabei haben wir besonders darauf geachtet, welche Schnittstellen wir brauchen, damit wir mit guten Lösungen, die wir schon haben, weiterarbeiten können.
Finale: Für uns ist wichtig zu verstehen, wo es weh tut und was wir tun können, um diese «Pain Points» zu eliminieren. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass vielen Entscheidungsträgern die Zeit oder das notwendige Know-how fehlt, um die Chancen und Risiken von Digitalisierungsprojekten einzuschätzen und die Versprechen von Proptech-Firmen einzuordnen. Wenn die Spannbreite zwischen dem, was nötig wäre, und dem, was möglich und machbar ist, zu breit wird, wird es schwierig.
Weiss: Eine gute Zusammenarbeit erfordert nicht nur die Bereitschaft, sondern auch die Fähigkeit aller Beteiligten, Lösungsansätze kritisch zu hinterfragen und in einen breiteren Kontext zu setzen und Zusammenhänge zu thematisieren. Das können nicht alle, und es braucht dazu auch viel gegenseitiges Vertrauen.
Vertrauen ist ein wichtiges Stichwort. Viele Firmen halten sich bei der Digitalisierung zurück, weil sie fürchten, auf die falsche Technologie zu setzen. Wie kann man Risiken reduzieren?
Weiss: Wir wollten ein Produkt von einem unabhängigen Anbieter. Wir wollten auch eine Lösung, die wir mit anderen Produkten kombinieren können. Und wir wollten ein Produkt, bei dem wir die Datenhoheit behalten.
Finale: Wir haben uns bewusst dafür entschieden, Lösungen zu entwickeln, die auf den ERP-Systemen userer Kunden aufbauen. Mit diesem Ansatz gehen keine Daten verloren. Wenn ein Kunde von uns zu einem anderen Anbieter wechseln will, muss er nur die Aufwände für die Implementierung und produktspezifische Weiterbildungen abschreiben.
Herr Weiss, Sie dürfen einen Etappensieg feiern, das Innovationsrennen ist damit nicht vorbei. Was sind Ihre nächsten Ziele und wo sehen Sie die grössten Herausforderungen für die Branche?
Weiss: Wir haben uns viel vorgenommen: Wir machen uns an die Digitalisierung der Aktenbestände, wir sind dabei, mit der Einführung von elektronischen Unterschriften Medienbrüche zu reduzieren und schliesslich stehen wir kurz vor der Lancierung von Huperty für den Renditebereich. Eine grosse Herausforderung für die Branche bleiben die vielen Systembrüche. Wir müssen Digitalisierung gesamthaft betrachten, die Mosaiksteine zu einem Bild zusammenfügen. Dazu brauchen wir nicht nur Schnittstellen, sondern auch gemeinsame Standards - und weitere erfolgreiche Partnerschaften.
Link zu original Text der IMMOBILIA
SVIT AWARD
Mit dem SVIT Award zeichnet der SVIT Schweiz Liegenschaftsverwaltungen aus, die in den letzten Jahren innovative Lösungen für kleinere oder grössere Herausforderungen in der Bewirtschaftung von Mietliegenschaften oder Stockwerkeigentum umgesetzt haben. Gesucht sind spannende Ansätze, die die SVIT-Mitglieder dazu inspirieren, Arbeitsweisen zu hinterfragen, Prozesse zu überdenken, neue Dienstleistungen anzubieten und Geschäftsmodelle weiterzuentwickeln. Der SVIT Award wurde 2022 zum zweiten Mal verliehen. Website: www.svit-award.ch
Simon Weiss
eidg. dipl. Immobilientreuhänder, ist Leiter Bewirtschaftung und Mitglied der Geschäftsleitung bei der H&B Real Estate AG. Er unterstützte das Projektteam in übergeordneten Fragestellungen wie zum Beispiel dem Datenaustausch ERP
Patrick Schneebeli
lic. oec. publ., ist Teamleiter Immobilienbewirtschaftung bei der H&B Real Estate AG. Er war als Leiter des Projektteams im fachlichen Lead und formulierte die Bedürfnisse der H&B gegenüber Huperty.
Christoph Finale
Chief Sales Officer und Co-Founder bei der Huperty AG. Er war im Projekt gemeinsam mit dem Produktteam das Bindeglied zwischen der H&B und der IT-Entwicklung.